Lebensrat

Arbeit, Beruf und Berufung

Ratgeber:

  • machen Sie sich klar, wozu und für was Sie arbeiten
  • machen Sie sich bewusst, welchen Stellenwert Arbeit für Sie hat
  • Arbeit und Familie widersprechen sich oftmals wegen des Zeitproblems
  • achten Sie darauf, ob Arbeit für Sie Flucht oder Erfüllung ist
  • wahre Berufung kennt keine Zeit und keine Bezahlung, aber Anerkennung

Seit Jahren besteht ein Trend hin zu Berufen, in denen man mit einem ordentlichen Schulabschluss (was heute für viele Berufe das Abitur ist) möglichst viel Geld verdienen und Karriere machen kann. Geld und Aufbau von Wohlstand stehen über der Freude an einer beruflichen Tätigkeit und an einer Arbeit, die erfüllt und den eigenen Begabungen und Interessen entspricht. Medien und Zeitgeist sind dafür hauptverantwortlich. So stehen denn auch Studiengänge wie Betriebswirtschaftslehre und Jura ganz oben bei den Studentenzahlen.

Der schulische Leistungsdruck geht dann im Beruf gesteigert weiter, denn man möchte es ja zu etwas bringen und eben viel Geld verdienen. Nicht selten stehen Wünsche nach eigenem Auto, eigener moderner Wohnung, Reisen und eigener Familie bereits am Beginn der beruflichen Laufbahn. Die Frage nach einer beruflichen Tätigkeit, die Freude macht, aber nur wenig Einkommen beschert, wird nach kurzem Überlegen oft schnell bei Seite geschoben, wenn die Möglichkeit besteht, in einem anderen Job wesentlich mehr zu verdienen.

Die Mehrzahl junger Menschen, aber auch älterer Arbeitnehmer können die Frage danach, was sie denn wirklich gerne arbeiten und womit sie gerne ihr Einkommen verdienen möchten, gar nicht beantworten. Sie haben während der schulischen Ausbildung kaum Zeit mit dieser Frage verbracht und wagen auch später nicht, diese Frage zu formulieren oder zu beantworten. Viele kennen ihre Begabungen und echten Interessen gar nicht und arbeiten muss man ja schließlich wegen des Geldes, und wenn es da die Möglichkeit gibt, etwas mehr zu verdienen, dann ist die Frage ungültig, ob der Job auch Freude bereitet.

Die negativen Konsequenzen eines Jobs, den man primär wegen des Einkommens antritt, werden zumeist erst im Laufe der Zeit erkennbar. Doch dann ist man den Weg schon soweit gegangen, dass ein Zurück unmöglich scheint. Außerdem hat man sich an das Einkommen und den damit verbundenen Lebensstil gewöhnt und sich vermutlich verschuldet oder in andere Abhängigkeiten gebracht, so dass ein Infragestellen nicht mehr möglich ist.

Als Ratgeber möchte ich einige Konsequenzen auflisten, die sich jeder möglichst frühzeitig bewusst machen sollte:

  • Ein gut bezahlter Job ist sehr wahrscheinlich ein verantwortungsvoller Job, der viel Arbeitszeit beansprucht, bei dem also wenig Freizeit bleibt; viele nehmen sich als unverzichtbar wahr
  • Ein gut bezahlter Job kann ein stressiger Job sein, was Gesundheits abträglich ist; immer neue und mehr Anforderungen und sich um alles kümmern müssen
  • Ein Job, den man primär wegen des Geldes macht, kann nicht glücklich und zufrieden machen, auch wenn man sich über das Gehalt oder Bonuszahlungen freut. Leider gewöhnt man sich aber daran und will immer mehr.
  • Manche Berufe haben ein gutes Image und gute Einkommensmöglichkeiten, sind aber in ihrer Realität alles andere als attraktiv, wenn man sie hauptsächlich wegen dieser Kriterien wählt (z.B. Jurist oder Arzt)
  • Ein anspruchsvoller, zeitintensiver und stressiger Job hat negative Folgen für Familie und Freundeskreis
  • Ein Job, den man wegen des Einkommens wählt, kann in eine Sackgasse führen

Auf längere Sicht erweisen sich Berufe, die dem eigenen Wesen und den eigenen Interessen möglichst entsprechen, als besser, auch wenn sie zu weniger Einkommen führen. Sie beinhalten eine höhere Wahrscheinlichkeit der Zufriedenheit, weniger negativen Stress und mehr freie Zeit.

Was die wenigsten Menschen bedenken, ist, dass Arbeit Energie kostet. Und diese Energie kann einen Menschen in einem falschen Job schaden oder gar ruinieren.

Während eine Arbeit, die Freude macht, sogar Energie erzeugt, und man stundenlang ohne Pause und Anstrengung hochaktiv sein kann, ermüdet und beansprucht eine widerwillige Arbeit bis zur Erschöpfung. Dass dies Auswirkungen auf Gesundheit und Arbeitsleistung hat, braucht eigentlich nicht erwähnt zu werden. Die knappe Freizeit reicht dann zumeist nicht mehr, um zu regenerieren und aufzutanken. Der Stress wird in die Familie und ins Privatleben mitgenommen und verursacht dort weitere Schäden.

Das gute Einkommen reicht dann merkwürdigerweise auch nicht mehr aus, weil es zur Substitution der allgemeinen Unzufriedenheit und des Stresses benutzt wird. Konsum soll Zufriedenheit schaffen. Doch das ist eine fatale Illusion.

Am Beispiel eines Arztes möchte ich konkreter werden:

Ein Student hat sich nach sehr gutem Abitur für das Medizinstudium entschieden und möchte ein guter und erfolgreicher Arzt werden, der Menschen hilft und dabei zudem ein gutes Einkommen erwirtschaftet. Soweit das Image und die Idealvorstellung.

Bereits im Studium erfährt er, dass diese Laufbahn sehr zeitintensiv ist und kaum Muße und freie Zeit bleibt. Nach absolviertem Studium, in dem er ein umfangreiches Wissen über die Natur des Menschen angesammelt hat, kommt er in die Mühlen des klinisch-ärztlichen Betriebes und lernt, dass es nun mit Freizeit noch schlechter bestellt ist. Überstunden und Stress werden zum Standard. Für den Patienten als Arzt da zu sein, erweist sich als Wunschtraum. Patienten werden zu Fällen.

Eher früher als später wollen die meisten Ärzte den Klinikbetrieb, der zudem von schulmedizinischen Anforderungen und autoritären Chefs geprägt ist, verlassen und sich selbstständig niederlassen. Die Freude ist groß, wenn die eigene Praxis eröffnet wird.

Allerdings ist man nun Einzelkämpfer und muss sich nicht nur mit medizinischen Fragen beschäftigen, sondern auch noch mit Personalführung, Verwaltung, juristischen und politischen Fragen, Betriebswirtschaft, Verbandsarbeit u.a.

Nach kurzer Zeit schleicht sich die Erkenntnis ein, dass wirklich interessante und herausfordernde medizinische Fälle in der eigenen Praxis sehr selten sind, und die meisten Patienten mit Zipperleiden und dem Bedürfnis nach einem ärztlichen Gespräch kommen. Doch genau dafür ist gar keine Zeit. Der Praxisbetrieb muss laufen und sich an zeitliche Vorgaben halten.

Zwar kann man mit einer gut gehenden Praxis einiges an Einkommen generieren, doch freie Zeit wird immer rarer und die Erkenntnis, dass sich im Laufe des Lebens nicht mehr viel ändert am täglichen Leben und Erleben, wächst zu einer persönlichen Bedrohung.

Die Alkoholiker- und Suizidrate ist unter Ärzten nicht zufällig recht hoch, und viele Ärzte müssen sich nach Jahren eingestehen, dass sie diesen Beruf verkannt haben und nicht wieder wählen würden.

Mit diesem Beispiel, das für andere Berufe wie z.B. Lehrer oder Banker abgewandelt gelten kann, will ich sagen, dass man sich nicht von dem Erscheinungsbild eines Berufes blenden lassen darf, sondern konkret hinterfragen muss, wie sieht der Beruf in der täglichen Praxis aus, und will man oder kann man die Anforderungen bewältigen.

Wer nicht gerne mit Menschen und menschlichen Problemen umgeht, der sollte einen entsprechenden Beruf oder Job meiden. Wer gerne für sich an einer konkreten Aufgabe arbeitet, der sollte sich einen solchen Beruf auswählen. Wer gerne kreativ ist, entsprechend. Und bei jeder Berufswahl sollte man abwägen, ob der eingeschlagene Weg eine Sackgasse ist oder ob er Freiraum und Optionen bietet, um sich flexibel zu entwickeln oder gar selbstständig zu machen.

Es gibt kaum etwas Bedrückenderes als die Feststellung, dass der eingeschlagene Berufsweg weder Berufung ist, noch eine Alternative zulässt.



Lebensregeln

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